Leitfaden → 2 Lager und Stoffströme → 2.1 Anthropogenes Materiallager → 2.1.3 Kanalisation
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In diesem Kapitel wird die Vorgehensweise zur Ermittlung der kommunalen anthropogenen Materiallager der Kanalisation vorgestellt. Dafür wird zunächst der Betrachtungsrahmen definiert und die Methodik zur Ermittlung der kommunalen anthropogenen Materiallager der Kanalisation erläutert. Dazu wird auf die verfügbaren Daten eingegangen, die als Datengrundlage für die Betrachtungen herangezogen werden können.
Ein zentraler Bestandteil dieses Kapitels ist die Erstellung eines Bauwerkskataloges, der verschiedene Bauweisen von Haltungen in Abhängigkeit des Kanalrohrs sowie unterschiedliche Schachtbauteile umfasst. Auf dieser Grundlage können der Kanalinfrastruktur über Basisattribute ein Material und die entsprechende Masse zugeordnet werden. Dieses Wissen kann zukünftige Bauvorhaben bei der Planung unterstützen und sowohl ökonomische als auch ökologische Aspekte berücksichtigen.
Insgesamt bietet dieses Kapitel einen methodischen Rahmen zur systematischen Erfassung der kommunalen anthropogenen Materiallager in der Kanalisation und legt den Grundstein für eine nachhaltige Stadtentwicklung im Bereich der Infrastrukturplanung und des Infrastrukturmanagements.
Betrachtungsrahmen
Die Kanalisation spielt eine entscheidende Rolle in der städtischen Infrastruktur durch die effiziente Ableitung und Behandlung von Schmutz- und Regenwasser. Zu einem funktionierenden Kanalisationsnetz gehören neben dem Kanalnetz verschiedene Komponenten wie Schächte, Pumpwerke und Sammelbecken. Die Betrachtung beschränkt sich jedoch auf die Haltungen und Schächte, da die anderen Komponenten, wie z.B. die Speicherbecken, aufgrund ihrer individuellen Bauweise gesondert behandelt werden müssen. Für diese Komponenten ist eine ähnliche Vorgehensweise wie bei der Analyse von Brücken möglich und sollte in weiteren Forschungsvorhaben näher untersucht werden.
Die Abbildung “Grabenverbau nach DIN 1610 zur Stabilisierung des Grabens und zum Schutz von Personen im Graben” zeigt einen typischen Grabenverbau mit den einzelnen berücksichtigten Bereichen bei der vorliegenden Ausarbeitung. Es werden die Massen für die Hauptverfüllung, Abdeckung, Seitenverfüllung, Bettung und das Kanalrohr für die Bestimmung des anthropogenen Materiallager der Haltung berücksichtigt.
Für die Schächte werden die unterschiedlichen Komponenten nach DIN 4034 berücksichtigt. Die Abbildung ”Beispiel eines Schachtes aus Beton- und Stahlbetonteilen” gibt eine Übersicht der Komponenten. Das Anschlussstück wird nur bei den Schächten berücksichtigt, wenn es ein fester Bestandteil des Schachtunterteils ist. Diese Bauweise ist in der Regel nur bei Kanalschächten aus Kunststoff üblich. Schachtunterteile aus Beton, welche aktuell die größte Verbreitung haben, haben hingegen eine Anschlussöffnung, in die ein entsprechendes Anschlussrohr eingesteckt wird. Daher ist das Anschlussstück in diesem Fall in der Haltung.
Methodik
Die Kartierung anthropogener Materiallager der Kanalisation basiert auf einem methodischen Ansatz einer laufenden Promotion und wurde im Rahmen des Forschungsprojekts ausgearbeitet und auf den Tiefbau erweitert. Das sogenannte Baustoffhaushaltsmodell basiert auf der Verarbeitung von Geodaten. Geodaten bilden die Grundlage für die Kartierung, da sie die räumliche Zuordnung der Beschaffenheit der Kanalisation ermöglichen. Diese Daten werden in einem Geoinformationssystem (GIS) verarbeitet und analysiert, um das anthropogene Materiallager der Verkehrsflächen zu kartieren und zu quantifizieren.
Die Methodik sieht vor, dass den Geodaten bestimmte Basisattribute zugewiesen sind, die für die Berechnung der Materialressourcen erforderlich sind. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Basisattribute.
Tabelle: Auflistung der Basisattribute für die Kanalisation mit Erläuterung
Attribut | Erläuterung |
Haltungen | |
Länge | Die „Länge“ bezieht sich auf eine Haltung. Also auf das Verbindungsstück zwischen zwei Schächten. Innerhalb dieser Strecke ist in der Regel eine homogene Bauausführung zu erwarten. Das Basisattribut ist von großer Bedeutung für die Hochrechnung. |
Rohrwerkstoff | Durch den „Rohrwerkstoff“ wird das Material des Kanalrohrs beschrieben. Zusammen mit dem „Profiltyp“ und den „Profilabmessungen“ ist dadurch die Ableitung des Haltungsquerschnitts möglich. |
Profiltyp | Der „Profiltyp“ beschreibt die Ausführung des Kanalrohrs. Der häufigste Profiltyp ist das Kreisprofil. Weniger verbreitet können aber auch u.a. Ei-, Kasten- und Ovalprofile verbaut sein. Zusammen mit dem „Rohrwerkstoff“ und den „Profilabmessungen“ ist dadurch die Ableitung des Haltungsquerschnitts möglich. |
Profilabmessungen | Die „Profilabmessung“ beschreibt in erster Linie den Nenndurchmesser des Kanalrohrs, woraus sich meist weiter Abmessungen, wie die Wandstärke, ableiten. Zusammen mit dem „Profiltyp“ und den „Rohrwerkstoff“ ist dadurch die Ableitung des Haltungsquerschnitts möglich. |
Mittlere Tiefe | Die „Mittlere Tiefe“ ist für die Abschätzung der der Hauptverfüllung erforderlich. Durch das notwenige Gefälle in einer Haltung ergibt sich eine zunehmende Tiefe vom Anfangsschacht zum Endschacht, durch die mittlere Tiefe wird dieser Effekt in Bezug auf die gesamte Haltung ausgeglichen. |
Bauform | Die „Bauform“ berücksichtigt, ob der Einbau durch einen verbauten oder unverbauten Graben erfolgt ist. Bei einem unverbauten Graben weist der Haltungsquerschnitt eine Trapezform auf, die nach oben weiter wird. In der Regel kann aber mit einem rechteckigen Querschnitt gerechnet werden. |
Schächte | |
Tiefe | Die „Tiefe“ beschreibt die Tiefe des Schachtes von der Oberfläche bis zum Schachtunterteil und dient der Dimensionierung bei der Massenabschätzung. |
Bauart | Die „Bauart“ bezeichnet den Schachttyp. Schächte und die einzelnen Baukomponenten unterliegen allgemeinen Normen und Regelwerken und es wird daher häufig ein standardisierter Aufbau verwendet. |
Werkstoff | Der „Werkstoff“ beschreibt das Material des Schachtes. Der häufigste Werkstoff ist Beton, wobei es auch häufiger Ausführungen in Kunststoff gibt. Historische bzw. ältere Schächte können aber auch als Mauerwerk vorliegen. |
Diese Basisattribute sind für die Berechnung zwingend notwendig, da sie die Grundlage für die Analyse bilden und ohne sie keine aussagekräftigen Ergebnisse erzielt werden können.
Sollten diese Basisattribute im vorhandenen Datensatz fehlen, müssen sie zunächst abgeleitet oder ergänzt werden, um eine vollständige Datengrundlage für die Kartierung zu schaffen. Dies kann durch gezielte Datenerhebungen vor Ort oder durch die Integration zusätzlicher Datenquellen erfolgen. Durch diese Herangehensweise wird sichergestellt, dass die Berechnung des Materiallagers nahezu auf jeder Datenbasis möglich ist und die Systematik der Kartierung daher besonders gut übertragbar ist.
Die Aussagekraft der Ergebnisse wird maßgeblich von der Qualität und Vollständigkeit der Datengrundlage beeinflusst. Je genauer und umfassender die zugrunde liegenden Geodaten sind, desto präziser und verlässlicher sind auch die kartierten Materialressourcen. Um die Qualität der Ergebnisse transparent zu machen, kann das Level of Specification verwendet werden, um anzugeben, auf welchem Detailgrad die Kartierung basiert und welche Einschränkungen oder Unsicherheiten damit verbunden sind.
Insgesamt bietet die methodische Herangehensweise zur Kartierung anthropogener Materiallager der Kanalisation eine solide Grundlage für die Erfassung und Bewertung der vorhandenen kommunaler Materiallager in der Kanalisation. Auf dieser Grundlage können fundierte Entscheidungen für die Planung und Bewirtschaftung der Kanalisationsinfrastruktur getroffen werden.
Datengrundlage
Wie bei den Verkehrsflächen erfordert die Kartierung anthropogener Materialere auch für die Kanalisation Geodaten.
Die Datengrundlage für die Kartierung anthropogener Materiallager in Bezug auf die Kanalisation basiert hauptsächlich auf Geodaten, die mit weiteren Sachinformationen verknüpft sind bzw. werden. Geoinformationssysteme (GIS) sind heute Standardwerkzeuge, die in verschiedenen Bereichen wie Kommunalverwaltungen, Planungs-, Versorgungs-, Verkehrs- und Telekommunikationsunternehmen eingesetzt werden. Die Daten werden als Raster- oder Vektormodelle verarbeitet.